Ein anzüglicher Witz, wiederholte Annäherungsversuche oder ein gar übergriffiger Kollege: Sexuelle Belästigung findet häufig auch am Arbeitsplatz statt. 2017 stellte der OGH diesbezüglich in einer richtungsweisenden Entscheidung fest, dass eine belästigte Person grundsätzlich keine Abwehrhaltung zeigen muss.
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Eine ehemalige Arbeitnehmerin klagte den Obmann des Vereins, bei dem sie als Angestellte tätig war. Sie verlangte Schadenersatz aufgrund sexueller Belästigung[1] iSd §§ 6, 12 Abs 11 GlBG). Diese bestand darin, dass der Obmann ihr gegenüber einen freizügig-scherzhaften Umgangston – mit zum Teil sexuellem Unterton – an den Tag legte.
Die Klägerin ging auf diese Art der Kommunikation ein. Beispielsweise habe sie von sich aus SMS-Nachrichten an den Obmann versandt, in denen sie auf Pornoseiten Bezug nahm. Daraus schließt das Erstgericht, dass für die Klägerin keine „einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt“, sondern ein lockerer Umgang – eben auch seitens der Klägerin – bestanden habe.
Das Berufungsgericht stellte fest, dass das Verhalten des Obmanns den Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht erfüllt habe, da das Verhalten nur von geringer Intensität gewesen sei. Zudem wäre die Frau ihrer „Ablehnungsobliegenheit“ nicht nachgekommen.
Der OGH bestätigt die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass – aufgrund des lockeren Umganges zwischen der Klägerin und dem Beklagten – keine sexuelle Belästigung vorliegt.
Jedoch widerspricht der OGH dem Berufungsgericht betreffend der „Ablehnungsobliegenheit“ und entschied sodann, dass diese sogenannten Ablehnungsobliegenheiten von potentiellen Belästigern nur allzu leicht als Rechtfertigung ihrer Aktivitäten missbraucht oder missverstanden werden können. Die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person ist keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung: Kein Täter soll im Nachhinein sagen können, das Opfer habe nicht Nein gesagt.
Behandelte Normen: §§ 6, 12 Abs 11 GlBG
[1] Sexuelle Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.