Keine Kostenübernahme bei Haarausfall

Ein 30-jähriger Wiener, dem ein androgonetischer (anlagebedingter) Haarausfall diagnostiziert wurde, leidet unter erheblichem Haarverlust. Um diesem einigermaßen entgegenwirken zu können, greift er auf bestimmte Präparate und andere Behandlungsmaßnahmen zurück. Infolgedessen begehrte der Mann von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) die Übernahme der dafür benötigten Kosten, welche ihm diese jedoch verwehrte. Es folgte ein Rechtsstreit bis hin zum Obersten Gerichtshof (OGH).

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Der Mann begründete sein Begehren damit, dass sein von Haarausfall betroffenes Haupt nicht bloß optisch störend wirke, sondern betonte auch die (gesundheitliche) Schutzfunktion der Haare, die sie gerade an heißen Sommer- bzw. kalten Wintertagen für die Kopfhaut hätten. So würden ihn die Haare – im Gegensatz zu einer Glatze – vor Sonneneinstrahlung und Kälte bewahren. Des Weiteren argumentierte der Kläger, dass das (dauerhafte) Fehlen von Haaren zu einer psychischen Belastung mit Krankheitswert führen und somit sein Begehren auf Kostenübernahme rechtfertigen könne.

Die Vorinstanzen – zuletzt das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht – wiesen die Klage des Mannes jedoch mit der Begründung, dass es sich hierbei um keine behandlungsbedürftige Krankheit handle, ab. Zu diesem Ergebnis kam auch der OGH. In seiner Argumentation führte er dazu aus, dass das Fehlen der Kopfhaare im Allgemeinen nicht als entstellend qualifiziert werde, weshalb eine diesem Störfaktor entgegenwirkende kosmetische Behandlung nicht als Krankenbehandlung im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) gelten könne. Auch benötige die (kahle) Kopfhaut, welche bei Sonneneinstrahlung und Kälte beeinträchtigt sein vermag, keine ärztliche Hilfe, da durch das Tragen einer geeigneten Kopfbedeckung der Kopf hinreichend geschützt werden könne. Erst wenn der regelwidrige Zustand ohne ärztliche Hilfe nicht mit Erfolgsaussicht behoben oder zumindest gebessert werden könne, sei die Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit gemäß des ASVG[1] gegeben.

Abschließend entgegnete der OGH dem Argument des Mannes, dass das Fehlen der Kopfhaare zu einer psychischen Störung mit Krankheitswert führen könne, dass die bloße Möglichkeit einer solchen Folge keine Krankheit iSd des ASVG und daher auch kein entsprechender Versicherungsfall sei. Vielmehr bedürfe es hiefür einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit einer psychischen Krankheit sowie einer notwendigen ärztlichen Behandlung.[2] Da diese genannten Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt seien, habe die ÖGK dem Begehren auf Übernahme der Kosten zu Recht nicht stattgegeben.

Entscheidung: OGH 21.06.2022, 10 ObS 78/22a


[1] Vgl. § 120 Abs 1 Z 1 ASVG.

[2] RIS Justiz RS0110227.

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