Wie bereits in einem früheren Beitrag[1] behandelt, gelten für Testamente, insbesondere für fremdhändig geschriebene und jene, die aus mehreren (losen) Blättern bestehen, strenge Formerfordernisse, um Gültigkeit zu erlangen. Nun hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) erneut in einem ähnlichen Fall zu urteilen und verschärfte dabei nochmals die Anforderungen an fremdhändige letztwillige Verfügungen.
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Ein im Jahr 2018 verstorbener Mann setzte in seinem im August 1978 errichteten eigenhändigen Testament – samt formgültiger Ergänzung aus dem Jahr 2001 – seine (im Jahr 2010 verstorbene) Ehefrau zur Alleinerbin und im Falle ihres Vorversterbens seinen Schwager (Erstantragsteller) zum alleinigen Ersatzerben ein. Allerdings unterfertigte der Mann im Februar 2018 auch ein fremdhändiges Testament, in welchem er sämtliche frühere letztwillige Verfügungen widerrief und die in diesem Fall auftretenden Zweit- bis Zehntantragsteller zu gleichen Teilen als Erben einsetzte. Es kam zu einem Erbrechtsstreit, in welchem die Gerichte unter anderem festzustellen hatten, ob das fremdhändige Testament gültig sei oder nicht.
Das fremdhändige Testament, welches von einem Notar entworfen wurde, bestand aus einem doppelseitig sowie einem bloß einseitig mit auf dem Computer geschriebenen Text bedruckten Blatt. Der Text auf der Rückseite des ersten Blatts endete dabei mit „… vollinhalt-“ und setzte mit „lich …“ auf dem zweiten Blatt fort. Weiters bestand das Testament auch im Zeitpunkt der Unterfertigung durch den Erblasser und die Testamentszeugen aus zwei losen Blättern, welche erst im Nachhinein im zuständigen Notariat zusammengenäht wurden. Zudem wurde die weiße Klebevignette, welche die beiden Enden der Schnur auf der Rückseite des Testaments befestigt, nicht mit der Stampiglie des Notars versehen.
Der Schwager des Erblassers argumentierte, dass die Verbindung, welche erst nach Unterfertigung erfolgte, ohne Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden könne, da kein dafür vorgesehenes Siegel verwendet worden sei. Außerdem liege seiner Ansicht nach auch keine Textfortsetzung vor, weshalb es sowohl an äußerer als auch innerer Urkundeneinheit fehle. Die Zweit- bis Zehntantragsteller sahen in der Schnur und der Klebevignette eine ausreichende Verbindung. Des Weiteren sei eine Textfortsetzung bei einer Silbentrennung jedenfalls gegeben, weshalb ein innerer Zusammenhang hinreichend vorliege.
Bislang galt, dass für die Formgültigkeit bei fremdhändig geschriebenen Testamenten die Blätter entweder fest miteinander verbunden sein, um so die „äußere Urkundeneinheit“ herzustellen, oder einen hinreichenden inhaltlichen Zusammenhang („innere Urkundeneinheit“) aufweisen müssen. Letzteres wurde bejaht, sofern der Text auf dem nächsten Blatt an das vorherige erkennbar anschloss oder ein entsprechender vom Testator unterfertigter Vermerk auf das zusätzliche Blatt angefügt wurde.
Das Erstgericht (Bezirksgericht Baden) sowie das Rekursgericht (Landesgericht Wiener Neustadt) stellten das Erbrecht der Zweit- bis Zehntantragsteller fest. Zwar liege ihres Erachtens eine äußere Urkundeneinheit aufgrund der nachträglichen Verbindung nicht vor. Allerdings sei bei einem fortlaufenden Text ein ausreichend inhaltlicher Zusammenhang gegeben, weshalb hier das Vorliegen einer inneren Urkundeneinheit bejaht werden könne.
Der Oberste Gerichtshof kam jedoch zu einem anderen Ergebnis und änderte seine Rechtsprechung dahingehend, als dass die bloße Textfortsetzung bei einer nicht handschriftlich verfassten fremdhändigen letztwilligen Verfügung zur Herstellung der inneren Urkundeneinheit nicht mehr genüge. Die bloße Fortsetzung des Testamentstextes biete nämlich keine ausreichende Fälschungssicherheit und schaffe als „inhaltliche Klammer“ nur eine vergleichsweise lose innere Verbindung. In solchen Fällen (bei nicht handschriftlich verfassten fremdhändigen letztwilligen Verfügungen) sei ein vom Testator unterfertigter Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt mit Bezugnahme auf seine letztwillige Verfügung erforderlich, um die innere Urkundeneinheit bejahen zu können. Der OGH stellte somit – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – das Erbrecht des Schwagers fest und erachtete das fremdhändige Testament von 2018 als formungültig.
Entscheidung: OGH 26.04.2022, 2 Ob 29/22m
[1] Testament mit Heftklammern verbunden – gültig? 04.07.2022. URL: https://plus-iuris.com/2022/07/04/testament-mit-heftklammern-verbunden-gultig/.