Geschlechtsumwandung hat Auswirkung auf Pension

Die Alterspension steht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) jenen (versicherten) Personen zu, die das gesetzliche Pensionsantrittsalter erreicht sowie die Mindestversicherungsdauer („Wartezeit“) erfüllt haben. Das Regelpensionsalter beträgt zurzeit für Männer 65 Jahre und für Frauen 60 Jahre.[1] Doch welches geschlechtsspezifische Pensionsantrittsalter gilt für eine Personen, die sich im Laufe ihres (Berufs-)Lebens einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat?

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Ein im Jahr 1960 als Frau geborener Mann unterzog sich in seinem 57. Lebensjahr einer Geschlechtsanpassungsoperation, bei welcher er sich Brüste und Eierstöcke entfernen ließ. Allerdings wurde dabei keine genitalangleichende Operation durchgeführt. Bis zu der von ihm vorgenommenen Personenstandsänderung war der Mann im Zentralen Personenstandsregister (ZPR) rechtlich als Frau geführt worden, war als solche verheiratet und gebar sogar zwei Kinder. Mit Vollendung des 60. Lebensjahres beantragte der Mann von seiner Pensionsversicherungsanstalt die Zuerkennung einer Alterspension. Da ihm diese – mit der Begründung das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet zu haben – jedoch verwehrt wurde, wandte er sich mit dem Fall an die Gerichte.

Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt rechtfertigte die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung einer Alterspension damit, dass die frühere Frau, die ihr Geschlecht nach der Operation im ZPR auf „männlich“ ändern ließ, zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtlich als Mann geführt wurde und daher das männliche Regelpensionsalter gelte. Der Mann argumentierte jedoch, dass dieser als Frau zu behandeln sei, da er nach wie vor über primäre weibliche Geschlechtsteile verfüge sowie „eine typisch weibliche Erwerbsbiographie mit Zeiten der Kindererziehung“ habe. Weiters würde das Handeln der Pensionsversicherungsanstalt gegen den Gleichheitssatz[2] verstoßen, da Frauen, die vor ihrem 60. Lebensjahr eine Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen, gegenüber jenen, die dies erst danach tun, benachteiligt seien. Außerdem habe er zum Zeitpunkt seiner Geschlechtsanpassungsoperation (im Jahr 2017) noch nicht die Möglichkeit gehabt, sein Geschlecht als „divers“, „inter“ oder „kein Eintrag“ erfassen zu lassen.

Das Landesgericht Graz wies die Klage des Mannes jedoch ab. Entscheidend sei hier das amtlich im Zentralen Personenstandsregister eingetragene Geschlecht. Daher gelte der Mann als männlicher Versicherter iSd § 253 ASVG und sei daher auch als solcher zu behandeln. Zudem liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, da sich der Kläger selbst für eine Änderung seines Personenstands entschied und als Mann dieselbe Behandlung erfahre wie eine ursprünglich als Mann geborene Person. Das Oberlandesgericht Graz (als Berufungsgericht) bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Zwar definiere die österreichische Rechtsordnung nicht unter welchen Voraussetzungen eine Person als Mann oder als Frau zu gelten habe. Allerdings kann in rechtlicher Hinsicht bloß der im ZPR eingetragene Personenstand zum jeweils maßgeblichen Zeitpunkt des Stichtags entscheidend sein, zumal sämtliche Rechtsfolgen – wie etwa die Wehrpflicht oder das Pensionsalter – daran anknüpfen.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) führte dazu aus, dass sich zwar mittlerweile eine Person auch als „divers“, „inter“ oder „offen“ ins ZPR eintragen lassen kann, jedoch die österreichische Rechtsordnung sowie das soziale Leben nach wie vor davon ausgehen, dass jede Person entweder männlich oder weiblich sei. Eine gesetzliche Regelung, welchem Geschlecht ein operierter Transsexueller zuzuordnen sei, existiere nicht. Auch greife die Argumentation, dass der Kläger aufgrund der Nicht-Durchführung einer genitalangleichenden Operation weiterhin als Frau zu behandeln sei, nicht. Am Stichtag für die Pension sei ausschließlich der im ZPR eingetragene Personenstand entscheidend.

Auch das Vorliegen einer „typisch weiblichen Erwerbsbiographie“ könne nach Ansicht des OGH nicht entscheidend sein. Denn würde dies das ausschlaggebende Kriterium sein, so müsste einem Mann, der sich vor Vollendung des 60. Lebensjahres einer Geschlechtsumwandlung unterzieht, die Zuerkennung der Alterspension – mit Vollendung des 60. Lebensjahres – verweigert werden da in einem solchen Fall eine „typisch männliche Erwerbsbiographie“ gegeben sei. Dies stelle jedoch nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine Diskriminierung der Frau wegen ihres Geschlechts dar.[3]

Im Ergebnis bestätigte der OGH die Entscheidung der Vorinstanzen. Der Kläger könne somit erst eine Alterspension nach Vollendung seines 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen.

Entscheidung: OGH 21.06.2022, 10 ObS 29/22w


[1] Ab dem Jahr 2024 erhöht sich das Pensionsantrittsalter für Frauen um je sechs Monate pro Jahr. Daher werde ab 2033 ein einheitliches Regelpensionsalter von 65 Jahren gelten.

[2] Vgl. Art. 7 B-VG

[3] Vgl. EuGH 27.04.2006, C-423/04.

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