Die näher rückenden Sommermonate sowie die steigenden Temperaturen haben unter anderem zur Folge, dass vermehrt Hochzeiten gefeiert werden. Auch der vorliegende Fall hat seinen Ausgangspunkt in einer Hochzeitsfeier. Ein Hochzeitsgast kam am Heimweg, aber noch in der unmittelbaren Gegend des Veranstaltungsorts, zu Sturz und zog sich dabei Verletzungen zu. Er klagte den Gastwirt auf Schadenersatz – mit Erfolg?
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Ein Mann, der zu Gast auf einer Hochzeitsfeier – welche auf einem Schloss stattfand – war, machte sich um zwei Uhr nachts auf den Heimweg. Er benutzte eine ungesicherte und zudem unbeleuchtete Treppe als Abkürzung, um so schneller zum Parkplatz und von dort zu Fuß zu seiner Unterkunft zu gelangen. Da es außerdem regnete und sich der Mann in einem betrunkenen Zustand befand, stürzte er auf diesem Weg und verletzte sich dabei. Er klagte den Gastwirt auf Schadenersatz und warf ihm vor, den Treppenabgang nicht ausreichend gesichert zu haben.
Die Vorinstanzen, zuletzt das Oberlandesgericht Graz, bestätigten ein leichtes Verschulden des Gastwirts, da durchaus die Möglichkeit bestand, dass Kinder oder andere Personen, die nicht die nötige Einsichtsfähigkeit aufweisen, durch das Begehen dieses Weges geschädigt werden. Allerdings kannte der Mann die Örtlichkeit sowie den ungesicherten Treppenabgang, da er das Schloss bereits mehrmals besucht und dort sogar seine eigene Hochzeit gefeiert hat. Außerdem sei er im Unfallszeitpunkt „mittelgradig alkoholisiert“ – aber nicht gangunsicher – gewesen, weshalb er als zurechnungsfähig einzustufen sei. Der Hochzeitsgast hätte daher der erhöhten Sturzgefahr durchaus entgehen können, indem er den „offiziellen“ Zugangsweg benutzt und nicht den unsicheren Weg gewählt hätte. Überdies hätte er erkennen müssen, dass die Treppe kein vom Gastwirt für die Gäste vorgesehener Abgang sei.
Das Berufungsgericht (Oberlandesgericht Graz) kam somit zum Ergebnis, dass das Verhalten des Klägers eine gravierende Sorglosigkeit in eigener Sache begründet und dass aufgrund des überwiegenden Eigenverschuldens des Mannes das (geringe) Verschulden des Beklagten vernachlässigt werden kann.[1]
Der Oberste Gerichtshof (OGH) korrigierte die vorinstanzliche Entscheidung nicht. Der Mann habe sich, obwohl er das Gelände kannte und sich seinem alkoholisierten Zustand bewusst war, bewusst einer Gefahr ausgesetzt und daher seinen Sturz selbst zu verantworten. Zwar hätte der beklagte Gastwirt Schutzmaßnahmen zugunsten von Kindern oder anderen einsichtsunfähigen Personen (wie etwa schwer Betrunkene) zu treffen gehabt, doch zähle der Kläger nicht zu diesem Personenkreis. Der Mann habe daher keinen Schadenersatzanspruch gegen den Gastwirt.
Entscheidung: OGH 23.03.2022, 1 Ob 46/22d
[1] Die Schadensteilung zwischen Schädiger und Geschädigtem erfolgt nach der Schwere der beidseitigen Zurechnungsgründe, insbesondere nach Verschuldensgrad und Sorglosigkeit (vgl. § 1304 ABGB).