Mutter muss Kinder vom Vater abholen

Nicht selten folgt auf eine Trennung oder Scheidung ein Streit um das Sorgerecht der gemeinsamen Kinder, welcher für diese aber auch oft psychisch belastend wirken kann. Auch im vorliegenden Fall, in welchem eine Mutter gegen das Kontaktrecht des Vaters ankämpfte, kam es zu einem gerichtlichen Streit eines Elternpaars, der sogar den Obersten Gerichtshof (OGH) beschäftigte.

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Dem Vater wurde – unter Beibehaltung der gemeinsamen Obsorge und vorwiegender Betreuung der gemeinsamen Kinder im Haushalt der Mutter – vorläufig ein wöchentliches Kontaktrecht (Montag bis Mittwoch) eingeräumt. Er habe die Kinder bei Beginn der Kontaktzeit bei der Mutter zu holen. Am Ende der Kontaktzeit sind die Kinder von der Mutter beim Vater abzuholen. Jedoch missfiel dies der Frau ziemlich. Sie erhob im Streit um die Obsorge schwere Vorwürfe gegen den Vater, indem sie ihn verdächtigte ihre gemeinsamen Kinder misshandelt und missbraucht zu haben. Allerdings konnte das Erstgericht (Bezirksgericht Feldkirch) keine Anhaltspunkte dazu feststellen und auch ein zusätzlich eingeholtes Gutachten einer Kinderpsychologin ergab keinerlei Hinweise auf einen möglichen Missbrauch der Kinder durch den Vater. Außerdem soll nach Angaben der Frau der Vater gegen das Wohlverhaltensgebot[1] (§ 159 ABGB) verstoßen haben, indem er sie mehrfach (auch vor den Kindern) beleidigt und bedroht habe. Der weitere Sachverhalt lässt darauf schließen, dass die Elternbeziehung durch wechselseitige Vorwürfe geprägt ist.

Die Vorinstanzen (zuletzt das Landesgericht Feldkirch) sahen beide Elternteile für die „dysfunktionale Elternebene“ verantwortlich. Da sie die Eltern aber auf Basis des Sachverhalts in zumindest gleicher Weise als erziehungsfähig qualifizierten, hegte der OGH keine weiteren Bedenken gegen das dem Vater eingeräumte Kontaktrecht. Das Kontaktrecht könne aber dann gehindert werden, wenn das Wohl der Kinder durch den Konflikt gefährdet würde. Jedoch konnte eine solche Gefährdung durch das Verhalten des Vaters nicht aufgezeigt werden.

Die Mutter berief sich weiters auf den Grundsatz, wonach der Kontaktberechtigte das Kind von dessen ständigem Aufenthaltsort abzuholen und dorthin zurückzubringen habe.[2] Es sei ihr als Ärztin auch nicht zumutbar ihre Kinder einmal pro Woche bei dem Vater – die Wohnorte der Elternteile liegen ca. 90 km voneinander entfernt – abzuholen. Allerdings erkennt die Rechtsprechung auch Ausnahmen von diesem Grundsatz an. Hiebei wird auf praktikable Regelungen abgestellt sowie die Interessen beider Eltern miteinander abgewogen.[3] Demnach benötige es ausgewogene Regelungen betreffend die Übergabe der Kinder, je umfangreicher die Betreuungszeiten des nicht hauptsächlich betreuenden Elternteils ist.

Zwar behauptete die Frau, dass es ihr unzumutbar wäre ihre Kinder wöchentlich vom Vater abzuholen, konnte aber nicht darlegen, weshalb sie ihre Dienstzeiten nicht entsprechend einteilen könne. Zudem übergehe sie, dass der Vater – wie auch sie als Ärztin – Teilzeit berufstätig ist und dass sie (gegen den Willen des Vaters) die Entscheidung traf, mit den Kindern aus der gemeinsamen Wohnung in einen in etwa 90 km entfernten Ort zu übersiedeln.

Da eine Gefährdung des Kindeswohls bezüglich der Abholregelung ebenfalls nicht dargelegt werden konnte, korrigierte der OGH die Entscheidung der Vorinstanzen nicht. Die Mutter habe somit weiterhin ihre Kinder am Ende der Kontaktzeit beim Vater abzuholen.

Entscheidung: OGH 25.01.2022, 1 Ob 225/21a


[1] Demnach hat jeder Elternteil zur Wahrung des Kindeswohls alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zu anderen Personen, denen das Kind betreffende Rechte und Pflichten zukommen, beeinträchtigt oder die Wahrnehmung von deren Aufgaben erschwert.

[2] RIS-Justiz RS0048002.

[3] Vgl. OGH 20.10.2020, 1 Ob 181/20d mwN.

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