Motorradunfall während Mittagspause – Arbeitsunfall?

Seit Beginn der Pandemie hat das Arbeiten in den eigenen vier Wänden immer mehr an Bedeutung gewonnen. Sämtliche Regelungen des Arbeitsrechts sind daher in Österreich adaptiert und somit auch auf das Arbeiten im Home-Office angepasst worden. Dadurch hat sich bei vielen Berufstätigen nicht bloß der Ort der Arbeitsstätte geändert, sondern unter anderem auch die Wege zur Beschaffung einer Mittagsjause. Dass es dabei aber durchaus auch zu Unfällen kommen kann, zeigt beispielsweise folgender Fall, welcher sogar den Obersten Gerichtshof (OGH) beschäftigte.

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Ein Arbeitnehmer, der unter Einverständnis seines Arbeitgebers im Home-Office arbeitete, entschloss sich dazu seine Mittagsjause mit seinem Motorrad von einem drei Kilometer entfernten Lebensmittelgeschäft zu holen, da die von ihm gewünschte Mahlzeit in keinem näher gelegenen Supermarkt erhältlich sei. Er benutzte dabei überwiegend Nebenfahrbahnen, um dem stärkeren Verkehrsaufkommen auf den Hauptstraßen zu entgehen. Am Rückweg geschah jedoch das Unglück: das Motorrad fing unerwartet Feuer wodurch der Mann schwere Verbrennungen erlitt. Er beantragte von der Unfallsversicherung (Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter) eine Versehrtenrente[1], die jedoch abgelehnt wurde. Daraufhin wand sich der Mann an die Gerichte.

Die Vorinstanzen – zuletzt das Oberlandesgericht Wien – wiesen das Klagebegehren des Mannes auf Feststellung, dass die beim Unfall erlittenen Verletzungen die Folgen eines Arbeitsunfalls seien, ab und verneinten somit den Anspruch auf Versehrtenrente. Der Mann habe sich aufgrund seiner Wahl, ein weiter von der Arbeitsstätte entferntes Geschäft aufzusuchen, einer unnötig erhöhten (Unfall-)Gefahr ausgesetzt, weshalb dies nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallsversicherung unterliege.

Der OGH führte dazu aus, dass grundsätzlich auch Unfälle, die sich auf dem Weg von der Arbeitsstätte (sog. Wegunfälle) ereignen, um während der Arbeitszeit – einschließlich der gesetzlichen oder kollektivvertraglich vereinbarten Arbeitspausen – in der Nähe der Arbeitsstätte lebenswichtige persönliche Bedürfnisse zu befriedigen, als Arbeitsunfälle unter den Versicherungsschutz fallen.[2] Auch sei die Qualifikation der Wohnadresse des Mannes als Arbeitsstätte unstrittig. Allerdings sind bloß jene Orte vom Gesetz erfasst, die sich in der Nähe der Arbeitsstätte befinden und zu denen sowohl der Hin- als auch der Rückweg zu Fuß und während der Arbeitspause zurückgelegt werden können. Jedoch muss es sich nicht um das nächstgelegene Geschäft oder den nächstgelegenen Ort handeln, um Versicherungsschutz zu genießen.

Die Wahl des Klägers, einen weiter entfernten Supermarkt aufgrund bestimmter persönlicher Vorlieben aufzusuchen, sei dem nicht versicherten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen. Somit bestätigte der OGH die Ansicht der Vorinstanzen, dass der vom Kläger gewählte Weg im konkreten Fall keinen Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung genießt. Der OGH kam daher in diesem Fall zum Ergebnis, dass der Mann keinen Anspruch auf Versehrtenrente hat.

Entscheidung: OGH 25.01.2022, 10 ObS 183/21s


[1] Der Anspruch auf Versehrtenrente besteht, sofern die Erwerbsfähigkeit durch einen anerkannten Arbeitsunfall oder einer anerkannten Berufskrankheit, über drei Monate nach Eintritt des Versicherungsfalls hinaus, um mindestens 20 % gemindert ist. (vgl. § 203 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG)

[2] Vgl. § 175 Abs 2 Z 7 ASVG

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