Stellen Sie sich vor, Sie finden in einem von Ihnen zur Räumung erworbenen Geschäftslokal Sparbücher im Wert von etwa 280.000 Euro samt dazugehörigen Losungsworten. Dieser spektakuläre Fund ist einem steirischen Räumungsunternehmen gelungen, welches daraufhin die Auszahlung von der Bank begehrte – allerdings weigerte sich das Kreditinstitut dazu. Doch hatte das Unternehmen einen Anspruch auf Auszahlung der gefundenen Sparbücher oder hat die Bank zu Recht so gehandelt?
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Das steirische Unternehmen vereinbarte mit den Erben der Liegenschaft die „besenreine“ Räumung eines Geschäftslokals, worunter auch der Kauf der darin enthaltenen Fahrnisse erfasst wurde, um bloß EUR 1.000,- (Kauf in Bausch und Bogen). Dabei fanden die Mitarbeiter der Räumungsfirma in einer Waschmaschine mehrere Kleinbetragssparbücher[1] im Gesamtwert von EUR 278.426,19 sowie die dazugehörigen Losungsworte, von deren Existenz die Erben jedoch nichts wussten. Die Bank aber verweigerte die Auszahlung an das Unternehmen mit der Begründung, dass dieses an den Sparbüchern materiell nicht berechtigt sei – also sachenrechtlich kein Eigentum an den Sparbüchern erworben hat. Die Räumungsfirma zeigte sich damit allerdings nicht einverstanden und klagte das Kreditinstitut auf Aufzahlung sämtlicher Guthaben.
Die Vorinstanzen (zuletzt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz) sowie der Oberste Gerichtshof (OGH) teilten die Ansicht des Kreditinstituts. Das Unternehmen sei nach Vertragsinhalt zur besenreinen Räumung des Geschäftslokals verpflichtet gewesen und habe die darin besichtigten und geschätzten Fahrnisse zur Verwertung durch eine Online-Auktion erworben. Das Berufungsgericht verwies in seiner Begründung auch auf eine frühere Entscheidung, wonach sich ableiten lässt, dass die überraschend gefundenen Sparbücher vom Kauf der Fahrnisse nicht umfasst waren.[2] Grundsätzlich kann das Eigentum an Kleinbetragssparbücher mittels Übergabe und Bekanntgabe des Losungswortes übertragen werden.[3] Die Bank ist aber berechtigt, gegen Vorlage des Kleinbetragssparbuchs und Nennung des Losungswortes an den identifizierten Vorleger[4] der Sparurkunde auszuzahlen.[5] Gelingt dem Kreditinstitut aber der Beweis, dass der Vorleger der Sparbücher nicht berechtigt ist, also weder der Rechtsnachfolger des Einzahlers noch dazu bevollmächtigt ist, so muss die Bank das Guthaben nicht auszahlen.
Im vorliegenden Fall sei dieser Nachweis der Bank gelungen. Zwar argumentierte das Räumungsunternehmen, dass die Bank bei Vorlage des Sparbuchs und Nennung des Losungswortes das Geld auszahlen müsse. Allerdings brachte der OGH vor, dass die Bank zur Auszahlung bloß „berechtigt“ und nicht verpflichtet sei, da die jedenfalls verpflichtende Auszahlung (ohne Prüfung der materiellen Berechtigung) mit den Zwecken der Umsetzung der Geldwäsche-Richtlinie der EU nicht vereinbar wäre. Nach Ansicht des OGH habe die Bank somit rechtens gehandelt.
[1] Das sind Sparbücher, deren Guthabensstand weniger als EUR 15.000 beträgt, die nicht auf einen Namen lauten und mit einem Losungswort versehen sind („Inhaberpapiere“).
[2] OGH 24.10.2019, 4 Ob 99/19s
[3] RIS-Justiz RS0102510.
[4] Vgl. § 6 Abs 1 Z 1 FM-GwG (Finanzmarkt-Geldwäschegesetz)
[5] Vgl. § 32 Abs 4 Z 1 BWG (Bankwesengesetz)